Fotografie Tipps&Tricks

Faszination Altglas

Wer den Beitrag über „Objektive adaptieren“ verfolgt hat, der hat bereits erfahren, dass ich häufig alte analoge Objektive an spiegellose Kameras verwende um zu fotografieren. Was macht aber den Reiz aus, Objektive aus dem letzten Jahrhundert zu nutzen und können sie es qualitativ überhaupt mit einem modernen Objektiv aufnehmen? Die Antwort auf diese Fragen findet Ihr im Anschluss.

Die Anfänge

Ich selbst erzähle gerne und häufig mit leuchtenden Augen von der Leidenschaft für das sogenannte Altglas. Begonnen hat das seinerzeit mit reiner Neugierde. Ich selbst war und bin bis heute in der immer währenden Experimentierphase und entdeckte Anzeigen zu „Neuauflagen“ alter Marken. Meyer Optik Görlitz sollte und wurde neu aufgelegt und die gezeigten Testbilder dieser Linsen sahen interessant aus. Ich wurde mit dem klassischen Bubble-Bokeh konfrontiert und fand es einfach nur toll.
So musste einfach ein Trioplan her. Aber warum einen Haufen Geld in eine Neuauflage investieren, wenn es eine Version aus dem Jahre Neunzehnhundertirgendwas auch tut?

Treffen der Generationen – Trioplan 100mm Alt vs 50mm Neu

Ich erspare die Abschweifung, dass ich dumm genug gewesen bin, auch eine Neuauflage zu erstehen und sie bis heute als teuersten Fehlkauf meiner Geschichte bezeichne. Der Freude am Geblubber hat das dennoch keinen Abbruch getan.

Lange Rede kurzer Sinn, mein Streifzug in die Welt analoger Objektive begann letztendlich mit einem 100mm Trioplan von Anno Tobak.

Die Besonderheiten

Jetzt fragt man sich natürlich, was ist eigentlich die Besonderheit daran? Man bastelt eine uralte Linse vor die Kamera und die hat noch nicht einmal einen Autofokus.

Ich finde genau dass ist eine der Besonderheiten. Die Blende wird am Objektiv eingestellt. Ein schneller Dreh an den Stellrädern der Kamera um einzustellen geht nicht. Den Auslöser halb durchdrücken kann man vergessen. Auch für den Fokus muss am Rad gedreht werden.

Das braucht Zeit und hat mich zu Anfang gezwungen wesentlich mehr Zeit mit meinem Motiv zu verbringen. Ich bemerkte dass ich während dem Einstellen des Objektivs realisierte ob mir ein Motiv gefällt oder nicht.
Was also früher durch die Limitierung der Filmrolle zwangsläufig notwendig war und dank digitaler Technologie und rasend schneller Fokussierung obsolet wurde, war auf einmal wieder da.
Ich wurde mir meiner Bilder bewusster, weil ich gezwungen war mehr Zeit mit der Aufnahme zu verbringen und zu überlegen ob sich der „Aufwand“ wirklich lohnt.
Diese Entschleunigung half mir dabei, mein Auge noch sehr viel stärker zu trainieren, als ich es mit reinen AF-Objektiven getan hätte. Eine gute Freundin attestiere mir nach einigen Monaten intensiver-Altglas-Nutzung einen deutlichen Sprung in der Qualität meiner Bilder. Sicherlich bin ich deswegen kein Überflieger in der Fotografie, ich merke aber wie sich die Hektik und Beliebigkeit aus meiner Fotografie verabschiedeten.

Schwächen

Der Zahn der Zeit nagt natürlich an allen Dingen die altern. Diese alten Objektive haben mitunter Macken, Dellen oder Schrammen. Ganz schlimm ist es, wenn einmal der sogenannte Glaspilz im Inneren wütet und die Vergütung der Linsen angreift. Auch hört man von strahlenden Linsen. Ich spreche hier tatsächlich von Radioaktivität. In einigen alten Objektiven wurde Thorium verwendet um die optische Qualität zu erhöhen. Ob das gefährlich ist oder nicht wurde im Netz ausreichend diskutiert. Ich selbst mache mir da recht wenig Sorgen. Immerhin schlafe ich nicht mit dem Objektiv unterm Kopfkissen.

Das fehlen eines Autofokus mag manchmal stören, aber mit ein wenig Übung klappen sogar Fotos von bewegten Motiven. Was 1960 geklappt hat, kann heute auch nicht unmöglich sein.

Es blubbert – Aufgenommen mit einem Auto Revuenon 50mm F1.8 (M42)

Charakter

Eingangs hatte ich davon gesprochen, dass ich gerne auf die Frage eingehen möchte ob die alten Linsen qualitativ mit neuen Gläsern mithalten können. Hier muss ich ein Jaein antworten. Es kommt sehr darauf an, welches Objektiv man an welcher Kamera und welchem Sensor adaptiert. Mein 50mm Minolta Rokkor an einer MFT Olympus kann es nach meinem Empfinden sehr wohl mit dem Olympus 45mm F1.2 PRO aufnehmen.
Der Grund für meine Aussage ist, dass ich an MFT nichts von der Vignettierung des Altglases mitbekomme und den Sweet Spot der Linse croppe. An Vollformat sieht das schon wieder anders aus. Da merkt man die Vignette deutlich stärker.

Ein paar Schwächen mag man bei RAW-Aufnahmen beheben können, mit manchen muss bzw. kann man leben. Denn wenn ich mich durch meine Aufnahmen klicke, dann erkenne ich immer wieder einen besonderen Touch. So fühlt es sich nicht nur ein wenig Vintage an, die Fotos bekommen einen Charakter. Das mag mein subjektives Empfinden sein, aber ich denke da wohl nicht alleine so.

Spätestens dann, wenn ein Bokeh anfängt zu swirlen, zu blubbern oder einen sehr eingängigen Stern (bei Blende 8 am Industar 61 L/Z) zeigt, kann man erkennen was ich meine.

Gonna catch ‚em all

Eine weitere Faszination übt für mich die Sammelleidenschaft aus. Zuerst dachte ich mir, ein paar Altgläser anzuschaffen und gut. Die üblichen Verdächtigen von denen man oft spricht. So war der Gedanke und dabei ist es nicht geblieben. Ich habe Fotoläden besucht, Flohmärkte geplündert und in diversen Altglasgruppen in der weltweiten Wundertüte wurde ich auch schon fündig. Die Sammlung wächst immer weiter und umfasst die Bajonette Olympus OM, Minolta SR, Canon FD, Pentax K und M42. Das sind natürlich bei weitem nicht alle Möglichkeiten. Contax-Yashica oder Exakta wären weitere Optionen um dem eigenen Sammeltrieb Nahrung zu bieten.

Ich gestehe, dass es ein wenig von einem Sticker-Sammelalbum hat. Nur dass es eben niemals voll werden dürfte. Man kann aber auch einfach den Hauch der Nostalgie und die Geschichte genießen, die in den alten Objektiven steckt. Denn eines habe ich in den letzten Jahren gelernt. Es mag eine gewisse Herausforderung sein, den Sprung in Richtung Altlgas zu wagen und man braucht vielleicht auch ein wenig Hilfe. Es kann aber sehr schnell passieren, dass man sich von der Faszination einfangen lässt und das Gear Acquisition Syndrom mit voller Härte zuschlägt.

Nun hoffe ich natürlich, ich konnte Euch meine Faszination ein wenig erläutern und vielleicht habt Ihr selbst ein wenig Lust auf ein Experiment mit den Oldtimern bekommen. Solltet Ihr Fragen haben, dann schreibt mit gerne einen Kommentar oder eine e-Mail. Ich versuche zu helfen.

Allzeit gut Licht,
Merkosh

Merkosh