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Altglas-Fieber

Ich weiß noch genau wie mein erster Kontakt mit den manuellen Objektiven verlief. Es begab sich mit dem Kickstarter Projekt einer Neuauflage des 50mm F2.9 Trioplan, welches irgendwie meine Neugier geweckt hatte. Fotografieren ohne einen Autofokus war mir zwar nicht fremd, schließlich war ich das von der Makrofotografie gewohnt. Meine Auswahl an rein manuellen Objektiven war bis zum damaligen Zeitpunkt aber verschwindend gering.
Gedacht getan, das Trioplan kam bei mir Zuhause an, es dauerte nur zwei Tage und wir wurden (beste) Freunde. Allerdings ein Altglas allein zu halten ist wohl gegen ihren Rudeltrieb.  Vier Tage  und einen Flohmarktbesuch später hielten die ersten Objektive mit M42 Schraubgewinde Einzug und mein Trioplan war nicht mehr allein. Die Sammlung ist seitdem beständig gewachsen und man kann ruhigen Gewissen behaupten, ich bin dem pandemie-ähnlichen Altglas-Fieber zum Opfer gefallen.

Kein Geheimnis, schließlich schreibe ich oft genug darüber.

Vor kurzem wurde ich gefragt ob ich nicht einmal über die Must-have-Altgläser schreiben möchte (Stefan darf sich an dieser Stelle angesprochen fühlen). Eigentlich etwas, das sich super für einen Blog-Artikel eignet, wäre da nicht ein ganz großes: Aber
Altgläser haben ihre Eigenheiten, während mancher mit einem wilden Bubble-Bokeh einen seeligen Gesichtsausdruck bekommt, schüttelt jemand anders vielleicht nur den Kopf darüber. Da wäre es vielleicht ein wenig anmaßend darüber zu schreiben, dass man ganz bestimmte Linsen unbedingt braucht. Allerdings hindert mich das nicht daran, auf Euren Wunsch hin, einen Einblick in meinen Schrank zu gewähren und über fünf Altgläser, welche ich besitze, zu berichten.

Ein wenig Hintergrundwissen

Viele der alten analogen Objektive sind für klassische 35mm Filmkameras gebaut worden. Daher könnte man salopp sagen, Vollformat ist das Mittel der Wahl. Man kann aber auch an eine APS-C oder eine MFT-Kamera adaptieren. An Spiegellosen Kameras geht das wegen dem Auflagemaß oft einfacher. Zudem ist das Auflagemaß von Spiegellosen geringer als bei alten analogen Fotoapparaten, daher gibt es für Sony e-Mount, Fuji-X und MFT wesentlich mehr Adapter als es für Spiegelreflexkameras mit Sony a-, Canon EF- oder Nikon F-Bajonett der Fall ist. Ich will damit nicht sagen, dass man an eine Canon oder Nikon überhaupt keine Altgläser adaptieren kann. Aber man hat nicht dieselbe Auswahl oder muss mitunter Kompromisse in Form von Korrekturlinsen in Kauf nehmen oder das Objektiv fokussiert nur im Nahbereich.
Auch wird das Bild, welches die Kamera sieht, bei kleinerem Sensor einfach anders aussehen. Das bedeutet nun nicht, dass ein Swirl-Bokeh an einem kleinen Sensor nicht swirlt, aber es swirlt einfach anders. Dafür schneidet der kleinere Sensor eventuelle Vignettierungen raus. Meiner Meinung nach gibt es bei der Wahl des Sensors kein richtig oder falsch, dennoch werden viele Stimmen sagen, dass ein Altglas nur an einer Vollformatkamera seinen kompletten Charme entfalten wird.
Ich selbst adaptiere natürlich an meine Olympus, also an einem MFT-Sensor. Das aber nur am Rande.

Nun ab an meinem Fotoschrank und ein paar Linsen ausgewählt.

v. l. n. r.: Minolta Rokkor PG 50mm F1.4, Trioplan 100mm F2.9, Helios 44-2, Industar 61L

Made in USSR

Die erste Linse die ich erwähnen möchte ist fast schon ein Klassiker. Das Helios 44-2. Ein 58mm Objektiv welches für sein Swirl-Bokeh bekannt ist. Ich selbst besitze eine M42 Variante, preislich liegt das Objektiv um die 40€, je nach Zustand und Nachfrage. Alleine schon der niedrige Preis dürfte ein Anreiz sein um den Grundstein für das Altglas-Fieber zu legen.

Helios 44-2, 58mm F2.0

 Weitere Bilder mit diesem Objektiv habe ich in einem kleinen Unterbereich in meiner deviantART-Galerie. Für den Fall, dass Ihr mehr Beispielbilder sehen möchtet.

Ein Traum von Blende 1.4

Das von mir meistgenutzte Altglas ist ein Minolta Rokkor PG 50mm F1.4. Meiner Meinung nach ein tolles Objektiv für Portraits, aber auch in Sachen Naturfotografie bin ich damit sehr oft unterwegs. Es blubbert nicht zu stark, es swirlt nicht. Dafür ist es in Sachen Qualität bei Offenblende einfach toll. Meine Katzen habe ich damit unglaublich oft fotografiert und immer gute Ergebnisse damit erzielt. Preislich ist es etwas höher angesiedelt als das Helios. Ich durfte damals knappe 90€ auf den Ladentisch legen. Beim Bajonett handelt es sich um ein Minolta MD. Mittels Adapter von K&F (Affiliate Link) ist das aber kein Problem.

Minolta Rokkor PG 50mm F1.4

Weitere Testbilder: Apfel und Dahlie

Over-Hyped

Seifenblasenbokeh in Reinform. Vermutlich wird kaum ein anderes Objektiv so sehr gehyped wie das Trioplan 100mm F2.8. Dennoch habe ich mir für viel Geld eines zugelegt, einfach weil ich das Geblubber dieses Objektivs mag. Und ja, es ist Geschmackssache und vor allem der Preis ist durch den Hype extrem hoch. Man darf sich daher ruhig zweimal überlegen, ob man es wirklich haben will. Wer es denn hat, ein wenig Übung investiert und lernt was man wie zum blubbern bringen kann, der wird es schätzen. Ich bereue den Kauf nicht, muss aber sagen, dass ich mich für diese Art von Bokeh einfach begeistern kann.
Offenblendig ist es recht weich und auch ohne heftige Lichtreflexe weiß es mir zu gefallen.

Trioplan 100mm F2.8

Sternenhimmel

Das Quartett meiner für erwähnenswert gehaltenen Objektiven füllt das Industar 61L 50mm F2.8. Wie das Helios ein russisches Objektiv, welches bei Blende 8 ganz besondere Lichtreflexe in Form von Sternen produziert. Jetzt kann man sagen, dass man für so einen Effekt kein besonderes Objektiv braucht, schließlich kann man das auch mit einem Basteltrick hinbekommen. Einfach einen Stern in ein Tonpapier schneiden, vor das Objektiv halten und ein wenig versuchen.
Aber das Industar 61L ist Makrotauglich. Das wiederum zaubert nicht nur bei einem normalen Bild das Sternchenbokeh – nein – es zaubert diese auch im Nahbereich. Da ich das Objektiv noch nicht so lange in meinem Besitz habe und Silberblau viel mehr im Makrobereich fotografiert ein Beispielbild einer Eisdecke aus ihrer Galerie, ebenfalls mit einem Industar 61L aufgenommen.

Industar 61L

Sieht gefährlich aus

Wenn es mal wieder länger sein muss, zum Beispiel im Telebereich dann ist mein Tipp das ebenfalls russische Tair 3S. Stolze 300mm und F4.5 bietet diese Brennweite. Gekauft habe ich sie im übrigen mit Metallkoffer, Kamera und Zubehör. Ich überlege wie ich dieses Zubehör bezeichnen soll, grob gesagt handelt es sich dabei um eine Art Schaft, auf welches das Stativ geschraubt wird und mit dem man es an die Schulter gepresst in den Anschlag nehmen kann.

Der Fotosnaiper adaptiert an meiner E-M1II

Ihr seht es auf dem kleinen Bild und ein Glück kann man dieses Objektiv auch ohne diesen Schaft nutzen. Durch eine Innenstadt würde ich mit dieser Konstruktion eher nicht laufen wollen. Wobei man in der Stadt mit so einer langen Brennweite vielleicht ein wenig verloren ist. Richtig Zuhause fühlt sich das Tair wohl in der Wildtierfotografie. Unterstützt durch den Crop-Faktor lassen sich damit sehr schön Singvögel ablichten.

Tair 3S 300mm F4.5

Die muss man haben…

Ich habe Euch hier nur einen kleinen Ausschnitt aus meiner Sammlung gezeigt. Erklärt welche Objektive ich im Schrank habe und gerne nutze. Verglichen mit anderen Altglas-Fans mag meine Sammlung klein sein. Man mag vielleicht meinen, dass ich eine leichte Vorliebe für russische Objektive habe, nachdem gleich drei Linsen in diesem Artikel aufgetaucht sind. Das stimmt aber nicht. Ich würde mich bei Altglas nicht wirklich festlegen wollen. Die Auswahl an verfügbaren manuellen Linsen älterer Baujahre ist einfach extrem groß und ich habe mit Sicherheit noch nicht jedes Schätzchen entdeckt. Vielleicht mal noch ein Beroflex? Oder ein Petzval? Man kann nie wissen…

Merkosh

3 Gedanken zu „Altglas-Fieber

  • Ich habe ne Fotokollegin, die auch ihre Liebe zu M42 Altglas pflegt. Neben Meyer-Görlitz Kringel-Bohek ist ihre neueste Errungenschaft ein Industar 61L 50mm F2.8, mit dem sie seit gestern oder so unterwegs ist 😛
    Deswegen musste ich ein wenig Schmunzeln .. bis vor ein paar Tagen hab ich noch nie vom Industar gehört, nun läuft mir das hier und bei meiner Fotokollegin über den Weg. Naja, vielleicht erwischt mich das Altglas-Fieber ja auch irgendwann.

    Gruß

    • Merkosh

      Ich kannte das Industar auch lange Zeit nicht. Da bin ich ehrlich. Es gibt aber in Sachen Altglas echt eine Menge an Auswahl.
      So ein Helios 44-2 kann man auch einem Flohmarkt auch mal für 20€ finden. Da lohnt sich ein Versuch. Kann nur sein, das man hinterher einen Schrank voller alter Objektive hat.

  • Pingback: Altglas-Fieber: Olympus – Pilgerrazzi.de

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